Pressemitteilung
20.12.2019
Ein Plädoyer für die Nutzung des Sachverstandes: Wie Sachverständige die Zukunft mitgestalten können – Sachverstand groß gedacht!
Dipl.-Ing. Karl-Robert Mohr, Mitglied im Bundesverband öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e.V. (BVS), sieht das Fachwissen der Sachverständigen im Fokus durch unterstützende Beratung und Entwicklung von innovativen Technologien und Methoden. Einige futuristische Gedanken erklärt Mohr im Interview – dabei will der Sachverständige bewusst progressiv denken und gibt einige interessante gedankliche Anstöße…
Herr Mohr, Sie sehen insbesondere die Sachverständigen als geeignet, einen entscheidenden Beitrag für die Lösung der aktuellen Probleme zu leisten, die global zu bewältigen sind.
Das ist richtig. Wir könnten die Klimaerwärmung verlangsamen, die Verschmutzung der Weltmeere durch vorrangig Plastikmüll verringern und auch den Hunger bekämpfen, der neben der Trinkwasserknappheit wieder steigt.
Das sind hehre Ziele. Wie wollen Sie diese erreichen?
Beginnen wir mit den naheliegendsten Maßnahmen in Deutschland: Beim Kampf gegen die Klimaerwärmung ist vor allem die innovative Wasserstofftechnologe eine Methode, die zukunftsweisend ist. Aktuell hat zum Beispiel das Erlanger Unternehmen Hydrogenious LOHC Technologies Wasserstoff-infrastrukturlösungen auf Grundlage der neuartigen und innovativen Liquid Organic Hydrogen Carrier (LOHC)-Technologie entwickelt. Die Speicher- und Freisetzungsanlagen können dabei unabhängig voneinander skaliert werden. Die bayerische Staatsministerin Ilse Aigner nannte diese Zukunftstechnologie einen entscheidenden Meilenstein in der Energiewende. Wir haben als Sachverständige auch den Wissensvorsprung und mit dem BVS ein starkes Netzwerk, in dem wir uns austauschen können. Sachverständige sind durch die Öffentliche Bestellung und Vereidigung sowie Qualifizierung eine wichtige Säule der Justiz und der Öffentlichkeit. Das Fachwissen könnte man nachhaltig nutzen – in allen Ingenieurbereichen. Denn kompetente Beratung wird in Zukunft mehr denn je gefragt sein.
Welche weitere technische Entwicklung sehen Sie im Fokus? Beispiel Energiewende und Verkehrswesen.
Ich meine, Photovoltaikanlagen, Sonnenkollektoranlagen – hier kombiniert mit Wärmepumpe, Dampfturbine und Generatoren – sowie Windenergieanlagen, Geothermie‐, Wasserkraftanlagen und Osmosekraftwerken sind Technologien, die ohne Luftverschmutzung Energie erzeugen und gleichzeitig nicht abgenommenen elektrischen Strom für Elektrolyseanlagen zur Wasserstoffherstellung nutzbar machen könnten. Dieser ohne Kohlendioxidemission erzeugte Wasserstoff könnte sodann im LOHC‐ Verfahren in einer Trägerflüssigkeit gelöst und gefahrlos transportiert werden. Genutzt werden könnte das normale Tankstellen‐Netz mit einer deutlich geringeren Brand‐/Explosionsgefahr als bei herkömmlichem Kraftstoff. Die Antriebstechnik der Fahrzeuge bestünde dann, nach meinem Verständnis, aus einem Tank für frische Trägerflüssigkeit und einem Tank für verbrauchte Trägerflüssigkeit, einer (heißen) Brennstoffzelle, einem Akkumulator, Großkondensatoren, Gleichstrommotor an jedem Rad (werden beim Verzögern oder Bremsen umgepolt als Generator) usw.
Kurz – Sachverstand ist gefragt, wenn es gilt, innovative Technologien miteinander zu verbinden. Im BVS haben wir Sachverständige für 250 Sachgebiete. Das ist geballtes Know-how, welches kombiniert eingesetzt werden kann – natürlich in verwandten Disziplinen. Ich meine, es geht auch um die verantwortungsvolle Frage, was Sachverstand im Kontext der sich verändernden Umwelt leisten möchte und leisten kann.
Wie sieht es beispielsweise mit dem Umgang mit Plastik aus?
Plastikabfälle haben einen sehr hohen Energiegehalt; sie zu vergraben oder in den Weltmeeren zu entsorgen, ist eine unglaubliche Verschwendung von Rohstoffen. Ganz zu schweigen von der damit angerichteten Verschmutzung unserer Umwelt!
Die bereits in den Weltmeeren befindlichen Plastikabfälle sollten möglichst geborgen und für eine Synthesegaserzeugung aufbereitet werden. Gleiches gilt sinngemäß für neu anfallende Plastikabfälle. Dieses ist natürlich mit Investitionen verbunden; aber anstatt für Verbot von Plastikartikeln und den damit anfallenden monetären Entschädigungen, könnte dieses Geld besser in die Unterstützung einer nachhaltigen Synthesegaserzeugung investiert werden.
Ein globales Problem: Hunger und Mangelernährung. Was wäre ein Ansatz?
Laut Welthungerhilfe hungern 822 Millionen Menschen hungern; 2 Milliarden leiden an Mangelernährung. Dabei gibt es genug Nahrung. Vorausgesetzt, Politik, Wirtschaft und Unternehmen würden lösungsorientiert interagieren, so wäre es auch hier vorstellbar, mit technischen Sachverständigen und Sachverständigen aus dem Bereich Agrarwissenschaft ein Pilotprojekt ins Leben zu rufen. Schon jetzt werden innovative Projekte wie der künstlich geschaffene Grünstreifen am Rande der Sahara angelegt. Eine Idee ist zum Beispiel auch hier die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen, die der Meerwasserentsalzung dienen und damit Grundlage für die Wasserversorgung, Begrünung, Viehwirtschaft etc. sind. Das ist keine Zukunftsmusik: In den Niederlanden wurden bereits Systeme entwickelt, die Pflanzen ohne Mutterboden gedeihen lassen. Eine Vorstufe, die hier genutzt werden könnte. Das sind natürlich Ansätze, aber eine Lösung muss ja auch erstmal einen Ansatz haben und sich von da aus weiterentwickeln. Bei großen Herausforderungen muss auch groß gedacht werden.
Wie sieht es Ihrer Meinung nach mit der Zukunft des Sachverständigenwesens selbst aus?
Ich denke, Sachverstand ist immer gefragt – und wird es in der Zukunft noch viel mehr sein. Wir haben auch im Sachverständigenwesen Nachwuchsprobleme. Im BVS engagieren sich die Sachverständigen ehrenamtlich. Ich meine, gerade für die junge Generation ist die Thematik wichtig: Globale Lösungen finden, Sachverstand einsetzen. Vielleicht ein völlig neuer Punkt, um Nachwuchs zu gewinnen und kooperativ zu arbeiten. Sachverstand for future.
Das Interwiew führte Frau Iglauer-Sander, Pressereferentin des BVS (bis 2019).
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